Innovative Automation im Spital
Interview mit Alessandra Kälin und Martin Pfund
Veröffentlicht am 4. Februar 2021
In den letzten Jahren hat jede Diskussion über die Gesundheitsbranche unweigerlich auf die Digitalisierung und neue Technologien verwiesen. Diese Trends bieten viele Möglichkeiten, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, sowohl in der Behandlung der Patienten, der Organisation und in der Abwicklung. Die Herausforderung liegt darin, die richtige Technologie zu erkennen und diese erfolgreich einzuführen, um den grösstmöglichen Nutzen für den Patienten herauszuholen.
Martin Pfund vom Kantonsspital Graubünden und Alessandra Kälin von BOYDAK Automation im Gespräch zu den Automatisierungsmöglichkeiten im Gesundheitsbereich.
Warum sind die Themen Automatisierung und speziell RPA bei euch auf der Agenda und wie ist es dazu gekommen?
Martin Pfund (MP): Die Automatisierung von Prozessen ist neben der Vernetzung der Systemakteure und der Generierung und Nutzung von Daten in elektronischer Form ein zentrales Handlungsfeld der Digitalisierung. Es bietet im Vergleich zu anderen Themengebieten schneller spürbaren und auch messbaren Mehrwert. Für das Ziel eines Lean Hospitals ist es zudem ein sehr hilfreiches Instrument. Ausserdem stellt es eine Vorstufe für die KI dar, was uns in einigen Jahren insbesondere in der Medizin stärker beschäftigen wird.
Alessandra Kälin (AK): Spitäler sind stark geprägt von zunehmendem Kostendruck. Um den Patienten trotzdem eine qualitativ hohe Leistung anbieten zu können, greifen vermehrt Spitäler und Kliniken zu Automatisierungslösungen, welche die Mitarbeitenden sowohl an der Front wie auch in der Abwicklung im Hintergrund effektiv unterstützen. Auf der Applikationsseite herrscht zudem aufgrund der verschiedenen klinischen Systeme eine grosse Nachfrage nach Schnittstellen, die oft über Jahre depriorisiert wurden. RPA kann insbesondere bei diesen Prozessen schnell und effektiv die Mitarbeitenden unterstützen.
Welche Anwendungsfälle habt ihr bereits mit RPA umgesetzt?
MP: Wir haben z.B. den Austrittsprozess von Mitarbeitenden in grossen Teilen automatisiert. Zudem verwenden wir Softwareroboter für den Abgleich und die Verifizierung von Daten der Leistungserfassung, die über diverse Schnittstellen übermittelt werden.
AK: Da Spitäler 24/7 Betriebe sind, gibt es viele Prozesse, die übers Wochenende Backlogs generieren, beispielsweise bei der Abwicklung von Leistungen. Auch hier können RPA-Bots die Mitarbeitenden unterstützen, da sie ohne Probleme übers Wochenende oder über Nacht arbeiten.
Auf was muss man achten, wenn man ein solches Vorhaben starten möchte?
MP: Zunächst sollte man vom Nutzen und der Notwendigkeit überzeugt sein und nicht nur einem Trend hinterherlaufen. Wichtig ist dann, dass man die richtigen Prozesse identifiziert und zunächst klein startet.
Wählt man zu komplexe Prozesse oder solche ohne wirkliches Automatisierungspotential werden alle Beteiligten schnell demotiviert. Dies ist auch der Grund, weshalb wir medizinisch-pflegerische Prozesse noch nicht im Fokus haben. In jedem Unternehmen gibt es aber genügend Abläufe, die automatisiert werden können. Last but not least ist es wichtig, dass man einen Beratungspartner hat, der über genügend und vor allem erfahrene Ressourcen verfügt.
AK: Der von Martin Pfund angesprochene Ansatz klein zu starten sehen wir besonders im Gesundheitsbereich als Erfolgsrezept. Die Umsetzung eines ersten Prozesses, speziell im Administrativen Bereich (Finanzen, HR, IT) ermöglicht das Verständnis und die Basis für RPA zu schaffen und erleichtert dadurch die Kommunikation und auch das Skalieren dieser Themen.
Ein schneller Start gelingt mit unseren etablierten Starterpaketen, wo wir die Infrastruktur, die Governance und die Pipeline an Use-Cases solide aufstellen.
Die grosse Herausforderung liegt danach beim Ausnutzen des Momentums, das eine Umsetzung der ersten Prozesse ermöglicht, um auf eine strategische Ebene zu gelangen. Dazu ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden und das Management das Thema unterstützen und die nötigen Rahmenbedingungen schaffen.
Wie kommt das Thema bei den Mitarbeitenden an?
MP: Sehr gut. Repetitive Aufgaben motivieren die wenigsten Menschen und sie sind froh, wenn sie davon befreit werden. Da der Roboter keine Wochenenden und keine Feiertage kennt, kann er Tätigkeiten auch an diesen Tagen ausführen und so die Mitarbeiter dort entlasten. Für einige Mitarbeiter der ICT bietet es zudem die Möglichkeit für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung.
AK: Eine gute und transparente Kommunikation ist essenziell für die Akzeptanz der Mitarbeitenden in einem Betrieb. Ein gut und früh gewähltes Kommunikationskonzept kann hier die nötige Struktur bieten. Dieses streicht insbesondere die, wie von Martin Pfund erwähnten, Vorteile für die Mitarbeitenden hervor, wie beispielsweise die Übernahme von Arbeiten an Wochenenden oder über Nacht, Unterstützung bei überlasteten Teams, uvm.
Eine wichtige Kommunikation ist dabei, den Mitarbeitenden das Ziel der Automatisierungsstrategie transparent mitzuteilen, bspw. um den stetig wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, ohne die Teams stetig vergrössern zu müssen.
Der zweite angesprochene Punkt ist ein interessanter Nebeneffekt von Automatisierungsthemen. Die Mitarbeitenden erhalten dadurch die Möglichkeit, sich auf diesen zukunftsgerichteten Themen weiterzubilden. Dies verbessert ganz nebenbei die Arbeitsplatzattraktivität.
Was sind eure Pläne für die Zukunft?
MP: Wir sind dabei, ein Competence Center RPA aufzubauen, in welchem wir unter Führung des Prozessmanagements systematisch die Prozesse analysieren und wo sinnvoll automatisieren wollen. Wir konzentrieren uns dabei zunächst auf die administrativen Bereiche, wie Patientenadministration, HR, Finanzen, Controlling, Logistik, etc.
AK: Wir erleben momentan ein starkes Wachstum und grosses Interesse an Automatisierungsthemen im Spital und weiteren Gesundheitsbereichen. Dies wird unterstützt auf Software-Seite durch stetige Weiterentwicklung der RPA Plattformen, die vermehrt auch intelligente Automatisierungslösungen mit der Kombination von künstlicher Intelligenz mit RPA anbieten.
Einen weiteren spannenden Trend sehen wir bei der Weiterentwicklung der Tools im Bereich der Erkennung von Automatisierungspotentialen. Dabei gibt es mehrere Ansätze von einer Top-Down Perspektive wie das Process Mining, bei dem Prozesse i.d.R. von Anfang bis Ende durchgespielt werden und über automatisch generierten Dashboards das Potential für Optimierung und Automatisierung auf einen Blick erkennt werden kann. Zudem bieten die Software Anbieter vermehrt auch Bottom-Up Möglichkeiten zur Identifikation von möglichen Anwendungsfällen, bei denen die Mitarbeitenden direkt inspiriert werden, ihre Ideen / Anregungen an das Automatisierungs-CoC mitzuteilen.
Das Kantonsspital Graubünden («KSGR») ist als Zentrumsspital der Südostschweiz der grösste selbstständige Arbeitgeber des Kantons Graubünden. Das Spital verfügt über drei nahe beieinander gelegene Standorte. Das KSGR verfügt über ein vielseitiges medizinisches und chirurgisches Angebot. Dabei bietet das Spital mit 33 verschiedenen Disziplinen die meisten Behandlungsformen eines modernen Zentrumsspitals an. Seinen hervorragenden Ruf verdankt das KSGR seinen medizinischen und pflegerischen Leistungen. Die ÄrztInnen und Pflegenden des KSGR setzen sich mit hoher Kompetenz und grossem Engagement für das Wohl aller Patientinnen und Patienten ein.
Weitere Informationen finden Sie auf: https://www.ksgr.ch/
BOYDAK Automation ist ein führender Partner bei der Umsetzung von intelligenten Automationslösungen und Process Mining. Das Unternehmen arbeitet eng mit seinen Kunden und Software-Anbietern zusammen, um pragmatische und skalierbare Lösungen für die Restrukturierung und intelligente Automation von Business- Prozessen zu liefern.